Ach ja, da ist ja auch noch ein Körper

Es hat schon seinen Grund, dass Yoga-Asanas und Meditation zusammenhängen. Für eine stabile und angenehme Sitzhaltung benötigt man ab und an etwas Vorbereitung. Man kann einleitend ein paar leichte Dehnungsübungen machen, dann spielt der Körper in der Meditation besser mit oder einen Sonnengruß, der die Nervengeflechte sanft aktiviert. Auch im Allgemeinen ist es natürlich besser, wenn der Körper einigermaßen funktioniert und in der Meditation nicht stört. Grundsätzlich jedoch kann man auch meditieren, wenn man krank ist. Es hilft durch die sanfte Schwingung, die sich durch die innere Kohärenz herstellt, ganz enorm beim Heilungsprozess.  

Der ganze verdrängte Kram I

Alle heftigen Erlebnisse lagern sich irgendwo im Körper ab, nicht nur im Gedächtnisspeicher, im Gehirn, sondern sie bleiben auch in kleinen, und manchmal auch größeren, Muskelverspannungen hängen. Das sieht man ja, wenn jemand als Kind immer einen auf den Deckel bekommen hat, rennt er halt mit so einem etwas eingezogenen Kopf umher. Und wer immer munter ins Leben hinaus schreitet, der läuft dann mit den Füßen leicht nach außen.

Ein schlimmes Trauma lagert sich ebenso unweigerlich im Körper ab. Damit man das, was man nicht bewältigen kann, erstmal aus dem Weg hat. Dann ist es zwar nicht weg, aber man kann weiterleben. Tiere überleben das in aller Regel nicht, sie ziehen sich zurück und sterben. Dass wir also überhaupt verdrängen können, ist ja nicht per se schlecht für uns Menschen. 

Aber es muss nicht immer gleich ein schlimmes Trauma sein – alles, was man erlebt, wird im Körper gespeichert. Wobei das meiste durchaus angenehme Erlebnisse sind oder erwartbar Normales. Es ist bei den meisten von uns nicht immer dramatisch, aber alles bleibt irgendwo gelagert. Deshalb kommt bei Tiefenmassagen, dem sog. „Rolfing,“ so häufig Verdrängtes oder lange Vergessenes wieder ans Licht. 

Wenn z.B. eine Beziehung mit viel emotionalem Aufruhr zu Ende geht, dann reagiert der Körper. Man heult Rotz und Wasser, ist appetitlos, dazu kommt parallel die Phase der Wut mit den entsprechenden Magenproblemen – „die Wut im Bauch“ halt, und ständiger Überschwemmung mit Stress-Hormonen –, dann ist man ist noch eine Zeitlang niedergeschlagen, unmotiviert, körperlich abgeschlagen und zum Abschluss irgendwann berappelt man sich. 

Nachdem man das alles zugelassen und tief durchlebt hat, hat man das ganze körperliche Programm durch, das frisst sich nicht ins System, weil es ausgelebt wurde. Danach ist man zwar reichlich durchgeschüttelt, aber auch meist wieder bereit für die Welt und verkriecht sich nicht in seine Ecke. 

Das tun aber viele nicht. Sie schlucken das „Rotz und Wasser heulen“ herunter, „Kopf hoch!“, sie schlucken die Wut herunter, sie „motivieren“ sich und gehen trotz Abgeschlagenheit zum Sport und und und. Man tut halt alles, um den Schmerz nicht zu erleben. Und der Körper spielt mit – gezwungenermaßen.

Wenn man dann Jahrzehnte später mit der Meditation die Tür öffnet, dann kommt die ganze Geschichte auch gerne mal wieder nach oben, um zu schauen, wie die Lage so ist. Das ist ja auch nicht verkehrt. Dann hat man die Chance, das zu bereinigen. Doch sollte man das im Vorfeld wissen, damit man sich drauf einlassen und einstellen kann. So etwas passiert. So etwas passiert nicht, wenn man 5min meditiert. Aber wenn man sich auf längere Zeiten einstellt, dann kommen eben auch Dinge aus der Tiefe nach oben. Insofern hier der Rat: Wenn man merkt, dass da Dinge hochkommen, die eigentlich zum Psychologen gehören, dann gehören sie auch zum Psychologen. 

Der ganze verdrängte Kram II

„Ich habe Rücken“, das sagt früher oder später im Leben weit über die Hälfte der Bevölkerung. Das ist jetzt aber nicht immer „der Rücken“, der uns da Probleme macht, als wenn dort ein fremdes Etwas in uns ist, das nicht will, wie wir wollen. Das ist eine Region, die schlecht durchblutet wird, wenn wir ständig angespannt sind. Die Muskulatur wird nicht richtig versorgt und damit in Folge die Bandscheiben auch nicht und die Mühle beginnt sich zu drehen. 

Oder die Verdauung spielt nicht mehr mit. Das ist auch so ein Erbe aus bewegten Zeiten: In den vielen hunderttausend Jahren der Evolution haben sich die Stressfunktionen entwickelt und uns gut gedient: Bei Gefahr schüttet der Körper Stresshormone aus, Adrenalin und Noradrenalin setzen die Energiereserven des Körpers frei, damit man sofort reagieren kann, alle Energie wird für Flucht oder Kampf mobilisiert. Bald kommt noch Kortisol dazu und der Körper ist gerüstet für den Feind – der Atem geht rascher, Blutdruck und Pulsschlag steigen, der Muskeltonus steigt und viel weitere Effekte treten ein. In diesen Momenten treten Körperfunktionen wie z.B. die Verdauung in den Hintergrund, das benötigt man angesichts des schlecht gelaunten Mammuts weniger bis gar nicht.

Da heute schlecht gelaunte Mammuts nicht mehr in dieser Häufigkeit vorkommen, setzt man sich auf anderen Wegen unter Stress: Abgabetermine, unangenehme Gespräche mit dem Chef, man muss einen Zug bekommen, die genau-gendergerechte Verteilung der häuslichen Aufgaben im Blick haben,  sich im Berufsleben wie auch bei der Sitzplatzwahl im Nahverkehr durchsetzen, sonst wird man übelst untergebuttert, und vor allem muss man sein gut durchorganisiertes Leben voll im Griff behalten … und für all das muss man seine Stresshormone auf gleichmäßig hohem Niveau halten, sonst läuft das nicht.

Wenn man es mit dieser Daueranspannung und dem Optimierungswahn übertreibt, dann lösen sich die Knoten, die man durch die ständige Stressbelastung unweigerlich in sein System eingebaut hat, in der Meditation. Vielleicht sollte man auch darüber ein wenig nachdenken, wenn man in der Meditation immer um seine Achse rotiert. Dann ist eine Entspannungsübung wie Progressive Muskelentspannung enorm hilfreich, bevor man sich an die Meditation macht. Weil das den Körper mit einbezieht. Wenn man tatsächlich nur noch am Rotieren ist, nützen die eher auf den Geist abzielenden Übungen wie Meditation wenig.

Doch in aller Regeln ist es ja nicht so schlimm, und man durchläuft man einen Prozess wie: „Ich setze mich zur Meditation, obwohl ich merke, dass gar nichts geht. Ich bin kurz davor, schon nach einer Minute abzubrechen. Doch egal, ich nehme meine Meditation auf und schlängele mich durch den morgendlichen Denkberufsverkehr bis zum Stauende voran. Dort verweile ich höchst langweilige 25 Minuten. Dann plötzlich löst sich der Knoten irgendwie von alleine auf. Ich falle in diese wundervolle Tiefe. Stille – und ein ganz ruhiger und flacher Atem, kaum noch spürbar. Sanft durchströmt eine Kraft die Wirbelsäule und danach den ganzen Körper. Ich lasse sie gewähren und nach 60 Minuten gongt mich meine Gonguhr wieder an die Oberfläche.“

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