OM
In der Fülle von Mantras, die in der Yoga-Tradition seit Jahrhunderten verwandt werden, sticht das OM weit heraus und es ist inzwischen untrennbar mit Meditation verbunden. Wobei man nicht vergessen sollte, dass es sich um ein Mönchsmantra handelt, das für Menschen, die in der Welt agieren, nicht geeignet ist und auch nie gedacht war.
Wenn man das OM nicht nur rituell rezitiert, zur Begrüßung oder zur Einleitung einer Entspannungsübung, sondern in der Meditation hunderte Male subtil wiederholt, zieht es einen aus der Welt. Das kennen Sie alle, diese weltabgewandten Yogis, die so fein geworden sind, dass sie es in der Welt gar nicht mehr aushalten. In diese Klasse Mantras gehören natürlich auch viele weitere, wie „Om Namaha Shivaya“ etc. – die zahlreichen Mönchs-Mantras sind in der Abgeschiedenheit eines Klosters genau richtig, auch passen viele von ihnen perfekt für wandernde Asketen, die sorgenfrei mit nichts als ihrer Bettelschale am Ufer des Ganges entlangziehen – für den in der Welt Tätigen sind diese Mantras nicht wirklich hilfreich.
Das ist immer das Problem, wenn Praktiken aus einer Tradition eines fernen Landes übernommen werden, ohne den Zusammenhang zu sehen, in dem sie stehen. Dieses „Beiwerk“ wird im Westen gerne als religiöse Folklore abgetan, der man sich getrost entledigen kann, um sich auf die angeblich „reine Technik“ zu fokussieren. Wobei die westlichen Besucher entscheiden, was denn das Eigentliche und was das Beiwerk sein soll. Sie nehmen sich halt, was man meint zu brauchen und entledigen sich der lästigen Reste, die eine in ihren Augen primitive Kultur im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hat.
Gayatri
Vielleicht nicht so bekannt wie das OM, aber von mindestens genauso hohem Stellenwert ist das vedische Gayatri-Mantra:
Om Bhur Bhuvah Svah
Tat Savitur varenyam
Bhargo Devasya dhimahi
Dhiya yo na prachodayat
Es wird traditionell von frommen Brahmanen bei Sonnenaufgang und -untergang rezitiert, und gilt als der wichtigste Vers der gesamten Veden.
Dagegen sind die vielen heute kursierenden Mantras in ihrer überwiegenden Mehrzahl der Tradition des Tantra entnommen, eine spirituelle Richtung, die für die Tradition des Yoga sehr spät, ungefähr im 5. Jahrhundert n. Chr. mit dem Yogi Matsyendra, aufgekommen ist und eine Fülle von Ritualen, Reinigungstechniken, Mudras, Atemübungen und vieles mehr entwickelt hat. Ohne einen erfahrenen Lehrmeister ist es nicht einfach, sich auf diesen komplexen Pfad zu begeben.
SoHam
Das SoHam findet sich in den ältesten Überlieferungen des Shruti, des „offenbarten Wissens“ des vedischen Schrifttums, und findet sich dort schon in den ältesten Upanishaden aus dem 6. und 5. Jhd. v. Chr. So heißt es in der Isha-Upanishad: yo’sāvasau puruṣaḥ so’hamasmi: Ich bin das Höchste Selbst, ich bin SoHam. (was an die Worte aus dem Alten Testament/Exodus 3,14 erinnert: „Ich bin, der ich bin.“). Die Sanskrit-Silbe „Sah“ ist „Er“, womit Brahman, das höchste Prinzip gemeint ist und „Aham“ ist das „Ich“: Er und ich sind eins.
Das SoHam ist an keinerlei Ritual gebunden, das SoHam ist nicht zweckgerichtet, sondern ist die natürliche Schwingung des Selbst, die spontan mit jedem ein- und ausströmenden Atemzug auftritt. Es begleitet den Menschen, der in der Welt lebt, ganz natürlich und führt ihn zu seinem Höchsten Selbst. Man wiederholt es unterbewusst ständig im Takt des Atems („So“ beim Einatmen und „Ham“ beim Ausatmen), und wenn man es bewusst als Objekt der Meditation nutzt, erfährt der Yogi die Identität zwischen seinem individuellen Selbst und dem Höchsten Selbst.
Oder, wie in der in der Yoga Chudamani Upanishad geschrieben steht: „Dieses Mantra [Soham], das Ajapa Gayatri genannt wird, wird Erlösung bringen. Allein die mentale Wiederholung dieses Mantras wird einem helfen, sich von Sünden zu reinigen.“
Was hier so einfach, fast selbsterklärend, klingt: Auch die Meditation mit dem SoHam muss von einem erfahrenen Lehrer vermittelt werden. Zwar ist es so, dass es ohne unser Zutun von alleine in uns erklingt, aber die Meditation mit dem SoHam ist natürlich eine eigene Technik und hat noch eine ganz andere, weit tiefere, Wirkung.
… sehr interessant, das war mir alles gar nicht so klar. Vllt wäre es in Zukunft mal möglich, diese vielen Sanskrit-Begriffe zu vermeiden oder wenigstens zu erklären, ich habe ganz schön googeln müssen, bis ich das hier zusammen hatte.
Das habe ich schon öfter gehört!, mit den Mantras ist nicht zu spaßen und die meisten sind zumindest ein wenig mit Vorsicht zu genießen. Ach ja, diese weltverlorenen Yogis kenne ich auch zuhauf.